Plattform zur freien und kritischen Diskussion der Lokalpolitik

Monat: Mai 2021

Straßenbaubeiträge: Von der falschen und der rechten Sorge

Bis auf die FWI haben alle Fraktionen der Stadt Hamminkeln bei der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses und der darauf folgenden Ratssitzung eine Entlastung der BürgerInnen bei den Straßenbaubeiträgen abgelehnt. Nicht einmal AnliegerInnen, die an Eckgrundstücken wohnen und für zwei oder mehr Straßen voll bezahlen müssen, wollte man entlasten. Und das Argument war wie immer die Haushaltslage.

Auch im Jahre 2011 als der Rat einvernehmlich die Beitragssätze auf schwindelerregende Höhen angehoben hatte, war das Argument die Haushaltslage. Jetzt haben die Parteien und Wählergemeinschaften ein Jahrzehnt Zeit gehabt, um die katastrophale Haushaltslage, die sie politisch zu verantworten haben, wieder in den Griff zu bekommen; doch die Lage wird immer schlimmer.

Anstatt sich und die eigene Politik jetzt kritisch zu hinterfragen und einen neuen Kurs einzuschlagen, lassen sie lieber weiterhin die BürgerInnen der Stadt Hamminkeln für ihr Versagen die Zeche zahlen. Und gerade bei den Straßenbaubeiträgen trifft es die Menschen am härtesten. Deswegen wäre es zumindest ein Zeichen an die Bürgerschaft gewesen, eine Reform der Straßenbaubeiträge in Hamminkeln ernsthaft zu diskutieren und Spielräume zu finden, anstatt immer wieder die gleiche Litanei zu predigen.

von Thorsten Kasparek

Etwas ist faul im Staate Dänemark

Der alte Shakespeare scheint geahnt zu haben, dass menschliche Tollheit auch in niederrheinischen Lokalparlamenten zur Methode werden könnte, als er seinen Hamlet schrieb. Anders kann ich den Kleinkrieg unserer alteingesessenen Parteien, der in allen Medienkanälen geführt wird, zum Auszug der CDU-Fraktion aus der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag nicht empfinden. 

Gut, es ist Bundeswahlkampf und jede, um Stimmen kämpfende Partei möchte sich von den anderen abheben. Auch die deutschen Volksparteien haben scheinbar aus den erfolgreichen Wahlkämpfen von Politikern wie Trump, Netanjahu, Orban und Erdogan ihre Lehren gezogen. Nicht eigener politischer Gedankenreichtum führt zum Erfolg, denn der setzt kluge Programme und Ziele voraus. Einfacher und erfolgreicher ist es, den „Konkurrenten im Stimmenfang“ herabzusetzen, zu diskreditieren, schlecht zu machen. Das konnten wir in der letzten Ratssitzung und in der darauf folgenden Presseberichterstattung leider auch beobachten. Insbesondere die FDP hat sich im Ton vollständig vergriffen und sich mit ihren hysterischen Hetzparolen endgültig als ernstzunehmende politische Kraft aus der Lokalpolitik Hamminkelns verabschiedet.

Aber was war eigentlich die Vorgeschichte? Die Fraktion der FWI hatte im November vergangenen Jahres im Rat den Antrag gestellt das gegenwärtige Müllwiegesystem einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Hintergrund war dabei nicht die Kritik um der Kritik Willen, sondern die Beobachtung, dass dieses System zu einem „Mülltourismus“ führt. Die Entsorgung des Mülls in den öffentlichen Mülltonnen oder am Straßenrand war nur einer von vielen negativen Effekten, die bei genauerer Analyse zu Tage traten. Der Zeitpunkt war genau richtig gewählt, da der Dienstleistungsvertrag mit dem jetzigen Entsorgungsunternehmen 2022 ausläuft und dessen Neuabschluss nach geltendem Recht europaweit ausgeschrieben werden muss. Deshalb sollte die Prüfung des Systems rechtzeitig erfolgen, um bei einem Systemwechsel Änderungen in der Ausschreibung einarbeiten zu können. Vorher allerdings musste die Diskussion zum Thema Wiegesystem zum Abschluss gebracht werden.

Und genau diese Möglichkeit ergab sich hier. Der vorausgehende Bauausschuss der Stadt Hamminkeln hatte daher vernünftigerweise einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, das Thema prüfen zu lassen und nach der Sommerpause im Rat abschliessend zu diskutieren. In der Ratssitzung am Donnerstag wurde plötzlich von den Fraktionen der SPD, Grünen, FDP und USD ohne vernünftigen Grund darauf gedrängt sofort und ohne Diskussion über das Thema abstimmen zu müssen und den Prüfauftrag fallen zu lassen. Die CDU-Fraktion wollte hingegen weiterhin dem Vorschlag der FWI folgen und eine fundierte Prüfung in Auftrag geben und machte aus Protest mit ihrem Auszug den Rat beschlussunfähig. 

Politische Entscheidungen müssen nun einmal in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um zu gewährleisten, dass sie dem Gemeinwesen noch von Nutzen sind. Das ist der demokratische Geist, der Wettbewerb der Ideen, der die PolitikerInnen in einer Demokratie im besten Fall zu leiten hat. Aber die SPD, Grünen, FDP und USD haben in diesem Fall ihre Verantwortung dem Gemeinwesen gegenüber mit Füßen getreten, aus billigem politischen Kalkül.

Dass die CDU mittlerweile den Ideen der FWI Beachtung schenkt, die aus der Mitte der Bürgerschaft kommen, oder sie zumindest einer Prüfung unterzieht, hat mir Respekt und Symphatie abgefordert. Es sollte immer um die beste Lösung gehen und nicht um die bequemste. Wer das Ehrenamt im Rat ausübt und gleichzeitig zu bequem ist, um sich im Sinne der BürgerInnen mit Themen auseinanderzusetzen, sollte sich lieber verabschieden und sich um das Amt eines Ehrenvorsitzenden irgendwo anders bewerben. Das Mittel, das die CDU zum Protest gewählt hat, ist allerdings genauso fraglich und diskussionswürdig wie das billige politische Kalkül der anderen Parteien. Demokratische Prozesse auf diese Art und Weise zum Stillstand zu bringen, darf immer nur Ultima Ratio sein. Es wäre schön gewesen, hätte sich die CDU mit demselben Elan für die grundlegenden Themen wie Haushaltskonsolidierung, vergünstigtes Bauland für junge Familien oder Senkung der Straßenbaubeiträge engagiert. So bleibt der bittere Nachgeschmack, daß nur eine populistische Nebelkerze geworfen wurde. Was sagt eigentlich der Parteivorsitzende der CDU in Hamminkeln dazu, der letztendlich die politische Verantwortung dafür trägt?

Doch ein Gutes hat das alles: der Auftritt der CDU hat die BürgerInnen aufmerksam gemacht auf den desolaten Zustand der Politik und die daraus erwachsene Machtfülle der Verwaltung. Wo wir Regeln und Beschlüsse nicht mehr hinterfragen oder politische Spiele zum Selbstzweck spielen, erzeugen wir nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern auch im lokalen Politikbetrieb Stagnation und Stagnation ist letztlich Rückschritt. Noch einen Schritt weiter zurück und wir fallen in den Abgrund.

von Sigurd Colbatz

Kommentar: „Widdewiddewit, ich bau wie’s mir gefällt!“

In Dingden macht sich Unmut breit, da Investoren Immobilien in Wohnvierteln erwerben, die bisher von Einfamilienhäusern geprägt waren und dort Mehrfamilienhäuser mit Staffelgeschossen bauen. Das verändert aus Sicht der betroffenen BürgerInnen nicht nur den Charakter der Viertel, sondern führt auch zu strukturellen Problemen wie zum Beispiel dem Verlust der Privatsphäre in den Gärten, einer verschlechterten Parkplatzsituation und in der Konsequenz sogar zum Wertverlust von Grundstücken.

Mit dem Integrierten Kommunalen Entwicklungskonzept (IKEK) „Zukunft Hamminkeln 2030+ | Unser Dorf | Unsere Stadt | Gestalten und Entwickeln“ wurde das Ziel formuliert die Attraktivität Hamminkelns als Wohnstandort zu erhalten, wenn möglich zu steigern und die gewachsenen Strukturen und Identitäten verschiedener Ortsteile im Stadtgebiet zu wahren. Die zu beobachtende Entwicklung steht aber im Widerspruch mit diesen Zielen der Stadtplanung, da die getroffenen Entscheidungen den Charakter der unterschiedlichen Wohngebiete verändern. Es mag vielleicht ein Bedarf an Mehrfamilienhäusern und barrierefreiem Geschosswohnungsbau vorhanden sein, aber Stadtplanung darf sich nicht allein von den ökonomischen Interessen der Investoren bestimmen lassen, frei nach dem Motto: Investoren haben einen Bedarf an Profit, die Stadt hat einen Bedarf an Geschosswohnungen also wird zusammen geführt, was zusammen gehört, dort, wo es rechtlich gerade möglich ist und Investoren Immobilien erwerben können.

Und rechtlich möglich ist es mittlerweile nicht mehr nur im unbeplanten Innenbereich, wenn die zuständige Verwaltung eine Baugenehmigung erteilt mit Hilfe des Einfügungsgebots nach §34 BauGB oder bei Neubaugebieten. Es ist mittlerweile auch in allen Ortsteilen Hamminkelns möglich, in denen es alte Bebauungspläne gibt, deren Wirksamkeit vor Gericht in Frage gestellt werden kann. In einem Urteil vom 16.02.2021 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf der Klage eines Investors stattgegeben und den Bebauungsplan Nr. BO2 “Am Friedhof“ in Dingden für unwirksam erklärt wegen unbestimmten bzw. unbestimmbaren Sockel und Drempelhöhen (siehe Verwaltungsgericht Düsseldorf, 28 K 2377/19).  Das führt in der Konsequenz dazu, daß in dem Bereich des unwirksam gewordenen Bebauungsplans wieder Baugenehmigungen mit Hilfe des Einfügungsgebots erteilt werden können.

Dieser Einzelfall wird Schule machen bei den Investoren, wenn die Politik dem keinen Riegel vorschiebt. Sie reagiert zwar auf die Situation durch den Druck aus der Bevölkerung und fordert Bebauungspläne und Veränderungssperren, aber die letzteren können überhaupt erst erlassen werden, wenn ein Mindestmaß an planerischen Vorstellungen vorliegt und ein Aufstellungsbeschluss gefaßt wurde. Bebauungspläne als Instrument der Bauleitplanung alleine ersetzen kein fehlendes, stadtplanerisches Gesamtkonzept. Ganz im Gegenteil, je nachdem wie sie ausgestaltet werden, können sie die Probleme weiter verschärfen.

Eins ist zumindest durch die Proteste aus der Bürgerschaft klar geworden: Stadtentwicklung kann sinnvollerweise immer nur zusammen mit den BürgerInnen betrieben werden und sollte städtebaulichen Qualitätsmaßstäben entsprechen. Baugenehmigungen über das Einfügungsgebot nach §34 BauGB zu erteilen, darf nicht zum Mittel der Wahl werden. Eine transparente Bauland- und Immobilienentwicklung sowie Vergabe, muss neben den wirtschaftlichen Zielen vor allem auch den gesellschaftlichen Mehrwert in den Blick nehmen.

Eine Alternative zum Erlass von neuen Bebauungsplänen mit Veränderungssperren ist der Erlass einer Erhaltungssatzung nach §172 BauGB für alle betroffenen Bereiche, um Wohnraum zu schützen und die Eigenart der Viertel zu bewahren. Die Kommune könnte  dann in diesen Bereiche gezielt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen nach §24 I 4 BauGB, Grundstücke die zum Verkauf stehen erwerben und sie mit der Methode der Konzeptvergabe demjenigen veräußern, der nicht den maximalen Profit sucht, sondern der das beste Konzept zur Entwicklung des Wohnviertels vorweisen kann.

Wir müssen uns gedanklich nur mal vorstellen, wie  Hamminkeln in ein paar Jahren aussieht, wenn die Stadt Investoren überall Geschosswohnungsbau nach dem Zufallsprinzip ermöglichen würde. Im Zweifel werden die Stadt Hamminkeln und ihre Ortsteile dann das verloren haben, was sie einst attraktiv gemacht  hat.

von Thorsten Kasparek