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Schlagwort: Demokratie

Bürgerinitiative im Kreuzfeuer der Eitelkeiten

Bürgerinitiative gegen Neubau der Grundschule

Wenn sich Bürgerinitiativen gründen, dann sollten wir uns doch alle erst einmal freuen, oder? BürgerInnen werden politisch aktiv. Sie machen sich für ein Anliegen stark.  Vernünftige PolitikerInnen horchen nachdenklich auf und fragen sich: „Habe ich was verpasst?“ In Hamminkeln hat der ein oder andere Bürger eine andere Auffassung zum Neubau der Grundschule als die Ratsmehrheit. Eine Bürgerinitiative hat sich formiert. Mehr als 1500 Unterschriften wurden gesammelt. Und was passiert? Sofort wird nach allen Regeln der Kunst auf die Initiatoren eingedroschen. 

Die Stimme der BürgerInnen

Irgendwie komme ich da nicht mehr mit, vielleicht ist auch einfach nur eine Entwicklung an mir vorbeigegangen. Ich hatte das so in Erinnerung: In unserer repräsentativen Demokratie vertreten die PolitikerInnen ja die BürgerInnen. Wenn die öffentlich ihre Unzufriedenheit über die Art und Weise der Vertretung artikulieren, sollte man erst einmal vorurteilsfrei auf diese zugehen und das Gespräch suchen. Vielleicht finden sich ja Sachverhalte, die man übersehen hat? Dann kann im Zweifel eine gute Entscheidung noch einmal überdacht werden, um eine bessere zu treffen. Und ja, das ist anstrengend, ja, das kostet Kraft. Aber Ist das nicht der demokratische Geist? Ist das nicht die Mühe wert?

Der Stadtrat ist nicht unfehlbar

Ein Stadtrat ist nämlich nicht der Heilige Stuhl. Seine Entscheidungen sind nicht unfehlbar. Anscheinend sehen das leider nicht alle so. Die politischen Auseinandersetzungen haben daher den Charakter einer Inquisition angenommen. Was das ist, Inquisition? Es ist die Bekämpfung Andersdenkender durch die, die glauben im Recht zu sein.

Da erlebe ich, wie alle entscheidungstragenden Fraktionen im Rat von Hamminkeln sich darin überbieten, Andersdenkende zu diffamieren, klein zu reden und ihre Kompetenzen in Frage zu stellen. Es ist ein emotional geführter Kampf, um die Entscheidungshoheit. Meinungen werden nur noch vordergründig ausgetauscht. Man nimmt sie und haut damit um sich. Aus diesen werden dann abenteuerlichste Zukunftsprognosen entworfen, die sich meiner Logik auch nicht mehr erschließen. Da greift man sogar in die Trickkiste der Populisten und behauptet, wer nicht für den Schulneubau ist, denkt nicht an die Zukunft der Kinder. Da mache ich gerne drei Kreuzzeichen und bitte den Herrn um ein bisschen mehr Geistesgaben für den ein oder anderen Würdenträger.

Gute Gründe sehen anders aus

Schauen wir vielleicht mal auf ein paar gängige Argumente: Die FWI-Fraktion hatte ins Feld geführt, dass der Umbau der alten Grundschule für die heutigen Bedürfnisse im Lehrbetrieb deutlich preiswerter wäre. Und das Totschlagargument dagegen ist, die Einsparung betrage ja nur 1 Millionen Euro!

Abgesehen davon, das ich bei derartigen Betrachtungsweisen einen dicken Hals bekomme, wo bitte fangen denn überlegenswerte Kosteneinsparungen an, wenn eine Million schon nichts mehr gilt? Selbst wenn die Einsparung nur diesen Betrag umfassen würde, wäre das eine Größenordnung, die unsere finanziell knappe Kommune entlasten und den zukünftigen Generationen das Leben mit Schulden und Tilgung erleichtern würde.

Viel wurde und wird für die Entwicklung der Grundschule im Neubau mit innovativer Pädagogik, dem „Marktplatz-Prinzip“, argumentiert und aus einer weltweiten Studie des neuseeländischen Prof. Hattie zitiert. Also habe ich mir, als Nichtpädagoge, diese Studie mal angesehen. Herr Hattie war so freundlich die Ergebnisse seiner 900seitigen Untersuchung in einem Fazit zusammenzufassen. Danach kommt er unter anderem zu dem Schluss, dass die Lernerfolge von Schülern weniger allein von den Formen des Lehrbetriebes abhängt. Entscheidender Faktor für ein erfolgreiches Lernen ist die Rolle der LehrerInnen und ihr Verhältnis zu den SchülerInnen, ihr Engagement und Ihre Hinwendung zu den Lernenden.

 Nebenbei bemerkt, wurde ein sachkundiger Bürger der FWI im Bauausschuss von der SPD und den Grünen als „Demagoge“ bezeichnet, als er diese Aussage aus der Studie zitierte. Welche Ironie des Schicksals, dass die politischen Fraktionen, die sich auf diese Studie berufen, sie anscheinend gar nicht gelesen haben. Hier hilft folgender Hinweis: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Obwohl Ratsbeschlüsse, so auch der zum Schulneubau an der Diersforter Straße, ja „heilige Kühe“ sind, sollten aufkommende Zweifel an ihnen schon zumindest eine ernsthafte und sachliche Aufmerksamkeit zu Teil werden – einfach im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung unserer Stadt. Und diese Aufmerksamkeit würde ich mir im Vorfeld solcher Entscheidungen wünschen – auch oder gerade um Politik transparent und interessant zu machen. Niemand braucht Angst zu haben vor anderen Meinungen.  Einfach mal hinsetzen und den BürgerInnen zuhören.

Was steht hinter der Investition?

Während ich versucht habe, diesen medialen Kleinkrieg für mich zu versachlichen, drängte sich die Frage auf, warum der Bürgermeister und die Stadtverwaltung eigentlich mit Vehemenz für den Schulneubau eintreten. Sowohl der Bürgermeister als auch die Verwaltung sind für mich nie als „Geldverschwender“ oder „finanzielle Luftikusse“ aufgefallen, ganz im Gegenteil. Der Anstoss war ein Artikel im Lokalteil einer Tageszeitung, wo unser Bürgermeister mit der Aussage zitiert wird, das es beim Schulneubau auch um den Aufbau von Vermögenswerten der Stadt gehen würde.

Das provozierte bei mir die Frage, ob es vielleicht mit dem Schulneubau auch um eine Konsolidierungsstrategie geht und die ganzen Argumentationsketten über Pädagogik nur Scheingefechte sind. Dass die eigentliche Idee ist, das Vermögen der Stadt auch in ihrer Bilanz zu erhöhen, um Sicherheiten aufzubauen, die die Kreditwürdigkeit sichern helfen, falls weitere Fremdfinazierungen notwendig werden. Ein sogar nachvollziehbarer Gedanke, falls der Stadt, als seit Jahren „klamme Kommune“, die relative Entmachtung des Rates und der Verwaltung durch eine Haushaltssicherung drohen sollte. Auch das wäre ein wichtiges Argument, das man im Sinne einer transparenten Politik in die Waagschale werfen müßte.

Was ich mir wünsche ist mehr Demokratie zu wagen! Dort wo sie einst entstanden ist, in den Städten. Diesen Geist wünsche ich mir nicht nur für unsere Heimatstadt – sondern für die gesamte Republik!

Siggi

Etwas ist faul im Staate Dänemark

Der alte Shakespeare scheint geahnt zu haben, dass menschliche Tollheit auch in niederrheinischen Lokalparlamenten zur Methode werden könnte, als er seinen Hamlet schrieb. Anders kann ich den Kleinkrieg unserer alteingesessenen Parteien, der in allen Medienkanälen geführt wird, zum Auszug der CDU-Fraktion aus der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag nicht empfinden. 

Gut, es ist Bundeswahlkampf und jede, um Stimmen kämpfende Partei möchte sich von den anderen abheben. Auch die deutschen Volksparteien haben scheinbar aus den erfolgreichen Wahlkämpfen von Politikern wie Trump, Netanjahu, Orban und Erdogan ihre Lehren gezogen. Nicht eigener politischer Gedankenreichtum führt zum Erfolg, denn der setzt kluge Programme und Ziele voraus. Einfacher und erfolgreicher ist es, den „Konkurrenten im Stimmenfang“ herabzusetzen, zu diskreditieren, schlecht zu machen. Das konnten wir in der letzten Ratssitzung und in der darauf folgenden Presseberichterstattung leider auch beobachten. Insbesondere die FDP hat sich im Ton vollständig vergriffen und sich mit ihren hysterischen Hetzparolen endgültig als ernstzunehmende politische Kraft aus der Lokalpolitik Hamminkelns verabschiedet.

Aber was war eigentlich die Vorgeschichte? Die Fraktion der FWI hatte im November vergangenen Jahres im Rat den Antrag gestellt das gegenwärtige Müllwiegesystem einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Hintergrund war dabei nicht die Kritik um der Kritik Willen, sondern die Beobachtung, dass dieses System zu einem „Mülltourismus“ führt. Die Entsorgung des Mülls in den öffentlichen Mülltonnen oder am Straßenrand war nur einer von vielen negativen Effekten, die bei genauerer Analyse zu Tage traten. Der Zeitpunkt war genau richtig gewählt, da der Dienstleistungsvertrag mit dem jetzigen Entsorgungsunternehmen 2022 ausläuft und dessen Neuabschluss nach geltendem Recht europaweit ausgeschrieben werden muss. Deshalb sollte die Prüfung des Systems rechtzeitig erfolgen, um bei einem Systemwechsel Änderungen in der Ausschreibung einarbeiten zu können. Vorher allerdings musste die Diskussion zum Thema Wiegesystem zum Abschluss gebracht werden.

Und genau diese Möglichkeit ergab sich hier. Der vorausgehende Bauausschuss der Stadt Hamminkeln hatte daher vernünftigerweise einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, das Thema prüfen zu lassen und nach der Sommerpause im Rat abschliessend zu diskutieren. In der Ratssitzung am Donnerstag wurde plötzlich von den Fraktionen der SPD, Grünen, FDP und USD ohne vernünftigen Grund darauf gedrängt sofort und ohne Diskussion über das Thema abstimmen zu müssen und den Prüfauftrag fallen zu lassen. Die CDU-Fraktion wollte hingegen weiterhin dem Vorschlag der FWI folgen und eine fundierte Prüfung in Auftrag geben und machte aus Protest mit ihrem Auszug den Rat beschlussunfähig. 

Politische Entscheidungen müssen nun einmal in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um zu gewährleisten, dass sie dem Gemeinwesen noch von Nutzen sind. Das ist der demokratische Geist, der Wettbewerb der Ideen, der die PolitikerInnen in einer Demokratie im besten Fall zu leiten hat. Aber die SPD, Grünen, FDP und USD haben in diesem Fall ihre Verantwortung dem Gemeinwesen gegenüber mit Füßen getreten, aus billigem politischen Kalkül.

Dass die CDU mittlerweile den Ideen der FWI Beachtung schenkt, die aus der Mitte der Bürgerschaft kommen, oder sie zumindest einer Prüfung unterzieht, hat mir Respekt und Symphatie abgefordert. Es sollte immer um die beste Lösung gehen und nicht um die bequemste. Wer das Ehrenamt im Rat ausübt und gleichzeitig zu bequem ist, um sich im Sinne der BürgerInnen mit Themen auseinanderzusetzen, sollte sich lieber verabschieden und sich um das Amt eines Ehrenvorsitzenden irgendwo anders bewerben. Das Mittel, das die CDU zum Protest gewählt hat, ist allerdings genauso fraglich und diskussionswürdig wie das billige politische Kalkül der anderen Parteien. Demokratische Prozesse auf diese Art und Weise zum Stillstand zu bringen, darf immer nur Ultima Ratio sein. Es wäre schön gewesen, hätte sich die CDU mit demselben Elan für die grundlegenden Themen wie Haushaltskonsolidierung, vergünstigtes Bauland für junge Familien oder Senkung der Straßenbaubeiträge engagiert. So bleibt der bittere Nachgeschmack, daß nur eine populistische Nebelkerze geworfen wurde. Was sagt eigentlich der Parteivorsitzende der CDU in Hamminkeln dazu, der letztendlich die politische Verantwortung dafür trägt?

Doch ein Gutes hat das alles: der Auftritt der CDU hat die BürgerInnen aufmerksam gemacht auf den desolaten Zustand der Politik und die daraus erwachsene Machtfülle der Verwaltung. Wo wir Regeln und Beschlüsse nicht mehr hinterfragen oder politische Spiele zum Selbstzweck spielen, erzeugen wir nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern auch im lokalen Politikbetrieb Stagnation und Stagnation ist letztlich Rückschritt. Noch einen Schritt weiter zurück und wir fallen in den Abgrund.

von Sigurd Colbatz