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Schlagwort: FDP

Kommentar: Was ist das Anfragerecht der FDP wert?

Um es vorweg zu nehmen: ich schätze die FDP als eine Partei unseres Landes, da sie in ihrer Geschichte herausragende politische Köpfe hervorgebracht hat. In der letzten Bauausschusssitzung wollte die FDP allerdings wissen, was die Anfragen auch mit Blick auf die FWI die Stadt kosten würden, in Euro. Man hätte nämlich seit der letzten Wahl einen deutlichen Anstieg von Anfragen registriert. Und das würde angeblich die Verwaltung in der laufenden Arbeit überlasten. Der Bürgermeister stellte daraufhin zwar klar, daß die Parteien das Recht auf Anfragen hätten, aber bot auch an, eine Kostenschätzung vornehmen zu lassen. 

Fangen wir mal von vorne an. Seit der letzten Wahl ist eine Wählergemeinschaft mehr im Rat, die FWI. Alleine deswegen steigt natürlich die Anzahl der Anfragen. Dafür muss man nicht  Mathematik studiert haben, da reicht das kleine Einmaleins aus. Und es zeigt, dass sich die FWI aktiv und seriös an der politischen Willensbildung beteiligt. Das ist die Aufgabe auch kleinerer Fraktionen – Neudeutsch, es ist es ihr Job. Wenn eine politische Kraft zum ersten Mal auf die Bühne tritt, ist gerade bei Reformprojekten eigentlich klar, dass es auch gar nicht anders möglich ist.

Nur geht diese Rechnung für die FDP anscheinend nicht auf. Sie will die Anfragen der FWI in Euro messen. Damit reduziert sie die Bedeutung bürgerlicher Freiheits- und Auskunftsrechte auf den Geldwert. Schauen wir mal ins das Herz liberaler Ideen, in die Karlsruher Freiheitsthesen. Nachdem die Partei in der Wählergunst gegen Null tendierte, hat sie sich 2012 dieses neue Grundsatzprogramm gegeben.: „Für Liberale muss Politik rational sein. Entscheidungen sind niemals alternativlos, deshalb wenden wir uns gegen die Tyrannei der angeblichen Notwendigkeit. Vermeintlichen Sachzwängen und vorgeschobenem Zeitdruck stellen wir die Suche nach besseren Alternativen und einen Sinn für das Mögliche entgegen. Toleranz bedeutet dabei für uns, die guten Absichten der anderen Seite ernst zu nehmen, so fordernd diese auch sein mag.“

Ja, sagt hier der gesunde Menschenverstand, das macht doch Sinn und ist schön formuliert. Noch schöner wäre es, wenn die Hamminkelner Liberalen sich an ihren eigenen Grundsätzen und ihrer eigenen Ideologie orientieren würden. Dann könnten die Diskussionen endlich wieder sachlicher verlaufen. Dann würde auch Dilettantismus, wie der Versuch politisches Engagement und Anfragen in Geldwerten zu messen, als solcher überflüssig. Oder glauben unsere Liberalen ernsthaft daran, dass man mit einer derartigen Ökonomisierung von Auskunftsrechten andere politische Stimmen mundtot machen kann? Falls das so ist, müssen wir, liebe FDPler, mal ernsthaft über freiheitliche Grundrechte, ja Euer Demokratieverständnis reden. Auf jeden Fall müsstet Ihr noch die Frage beantworten: was sind Bürgerrechte und eben auch Anfragenrechte Euch denn wert?

von Thorsten Kasparek

Etwas ist faul im Staate Dänemark

Der alte Shakespeare scheint geahnt zu haben, dass menschliche Tollheit auch in niederrheinischen Lokalparlamenten zur Methode werden könnte, als er seinen Hamlet schrieb. Anders kann ich den Kleinkrieg unserer alteingesessenen Parteien, der in allen Medienkanälen geführt wird, zum Auszug der CDU-Fraktion aus der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag nicht empfinden. 

Gut, es ist Bundeswahlkampf und jede, um Stimmen kämpfende Partei möchte sich von den anderen abheben. Auch die deutschen Volksparteien haben scheinbar aus den erfolgreichen Wahlkämpfen von Politikern wie Trump, Netanjahu, Orban und Erdogan ihre Lehren gezogen. Nicht eigener politischer Gedankenreichtum führt zum Erfolg, denn der setzt kluge Programme und Ziele voraus. Einfacher und erfolgreicher ist es, den „Konkurrenten im Stimmenfang“ herabzusetzen, zu diskreditieren, schlecht zu machen. Das konnten wir in der letzten Ratssitzung und in der darauf folgenden Presseberichterstattung leider auch beobachten. Insbesondere die FDP hat sich im Ton vollständig vergriffen und sich mit ihren hysterischen Hetzparolen endgültig als ernstzunehmende politische Kraft aus der Lokalpolitik Hamminkelns verabschiedet.

Aber was war eigentlich die Vorgeschichte? Die Fraktion der FWI hatte im November vergangenen Jahres im Rat den Antrag gestellt das gegenwärtige Müllwiegesystem einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Hintergrund war dabei nicht die Kritik um der Kritik Willen, sondern die Beobachtung, dass dieses System zu einem „Mülltourismus“ führt. Die Entsorgung des Mülls in den öffentlichen Mülltonnen oder am Straßenrand war nur einer von vielen negativen Effekten, die bei genauerer Analyse zu Tage traten. Der Zeitpunkt war genau richtig gewählt, da der Dienstleistungsvertrag mit dem jetzigen Entsorgungsunternehmen 2022 ausläuft und dessen Neuabschluss nach geltendem Recht europaweit ausgeschrieben werden muss. Deshalb sollte die Prüfung des Systems rechtzeitig erfolgen, um bei einem Systemwechsel Änderungen in der Ausschreibung einarbeiten zu können. Vorher allerdings musste die Diskussion zum Thema Wiegesystem zum Abschluss gebracht werden.

Und genau diese Möglichkeit ergab sich hier. Der vorausgehende Bauausschuss der Stadt Hamminkeln hatte daher vernünftigerweise einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, das Thema prüfen zu lassen und nach der Sommerpause im Rat abschliessend zu diskutieren. In der Ratssitzung am Donnerstag wurde plötzlich von den Fraktionen der SPD, Grünen, FDP und USD ohne vernünftigen Grund darauf gedrängt sofort und ohne Diskussion über das Thema abstimmen zu müssen und den Prüfauftrag fallen zu lassen. Die CDU-Fraktion wollte hingegen weiterhin dem Vorschlag der FWI folgen und eine fundierte Prüfung in Auftrag geben und machte aus Protest mit ihrem Auszug den Rat beschlussunfähig. 

Politische Entscheidungen müssen nun einmal in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um zu gewährleisten, dass sie dem Gemeinwesen noch von Nutzen sind. Das ist der demokratische Geist, der Wettbewerb der Ideen, der die PolitikerInnen in einer Demokratie im besten Fall zu leiten hat. Aber die SPD, Grünen, FDP und USD haben in diesem Fall ihre Verantwortung dem Gemeinwesen gegenüber mit Füßen getreten, aus billigem politischen Kalkül.

Dass die CDU mittlerweile den Ideen der FWI Beachtung schenkt, die aus der Mitte der Bürgerschaft kommen, oder sie zumindest einer Prüfung unterzieht, hat mir Respekt und Symphatie abgefordert. Es sollte immer um die beste Lösung gehen und nicht um die bequemste. Wer das Ehrenamt im Rat ausübt und gleichzeitig zu bequem ist, um sich im Sinne der BürgerInnen mit Themen auseinanderzusetzen, sollte sich lieber verabschieden und sich um das Amt eines Ehrenvorsitzenden irgendwo anders bewerben. Das Mittel, das die CDU zum Protest gewählt hat, ist allerdings genauso fraglich und diskussionswürdig wie das billige politische Kalkül der anderen Parteien. Demokratische Prozesse auf diese Art und Weise zum Stillstand zu bringen, darf immer nur Ultima Ratio sein. Es wäre schön gewesen, hätte sich die CDU mit demselben Elan für die grundlegenden Themen wie Haushaltskonsolidierung, vergünstigtes Bauland für junge Familien oder Senkung der Straßenbaubeiträge engagiert. So bleibt der bittere Nachgeschmack, daß nur eine populistische Nebelkerze geworfen wurde. Was sagt eigentlich der Parteivorsitzende der CDU in Hamminkeln dazu, der letztendlich die politische Verantwortung dafür trägt?

Doch ein Gutes hat das alles: der Auftritt der CDU hat die BürgerInnen aufmerksam gemacht auf den desolaten Zustand der Politik und die daraus erwachsene Machtfülle der Verwaltung. Wo wir Regeln und Beschlüsse nicht mehr hinterfragen oder politische Spiele zum Selbstzweck spielen, erzeugen wir nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern auch im lokalen Politikbetrieb Stagnation und Stagnation ist letztlich Rückschritt. Noch einen Schritt weiter zurück und wir fallen in den Abgrund.

von Sigurd Colbatz