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Schlagwort: FWI

Ich denk, mich knutscht ein Elch !

Wenn ich mir den Kleinkrieg der sogenannten Volksparteien in unserer Stadt gegen den Auszug der CDU-Fraktion aus der vorletzten Ratssitzung in den Medien ansehe, habe ich ständig das Gefühl mich knutscht ein Elch. Dass vereinzelte Tiere der größten Hirschart Europas aus Polen zu uns einwandern wusste ich zwar, aber dass sie schon hier im Kreis Wesel angekommen sind, war mir neu.

In der Provinzposse treten alle Parteien, außer der FWI, geeint wie nie auf und zerfleischen alles, was nicht explizit auf dem eigenen Mist gewachsen ist. Es wird sich fürchterlich echauffiert, dass die CDU in einem internen Brief den Begriff „Klüngelveranstaltung“ im Zusammenhang mit den Arbeitsgruppen gewählt haben soll. Endlich gibt es wieder was zu tun, was keine sachliche Auseinandersetzung mit den drängenden politischen Themen der Gegenwart erfordert. Es ist wieder Zeit für das politische Possenspiel mit dem Titel „Alle mal Aufregen!“. Meisterhaft inszeniert wenden sich die Fraktionen der SPD, FDP, USD und Grünen mit einem gemeinsamen Brief an den Bürgermeister, in dem sie ihn auffordern, alle Arbeitsgruppen aufzulösen. Ja klar, und was kommt als nächstes? Sollen vielleicht demnächst auch die Ausschüsse aufgelöst werden? Oder vielleicht auch der Rat?

Klasse ! Ich frage mich nun allerdings, warum sollen die Arbeitsgruppen dichtgemacht werden? Hat die CDU-Fraktion mit deren vermeintlichen Bewertung als „Klüngelveranstaltungen“ jetzt Recht? Und haben die in die Arbeitsgruppen entsandten Ratsmitglieder und sachkundigen Bürger der SPD, FDP, USD und Grünen bislang dort die Klüngelei mitgetragen und es ist ihnen einfach nur peinlich, daß das jetzt ans Tageslicht gekommen ist? Mir drängt sich der Gedanke auf, dass hier einfach nur Rachegelüste ausgelebt werden und die restlichen Fraktionen bestraft werden sollen – ich wusste bisher nicht, dass ich mit meiner Stimme bei der jüngsten Kommunalwahl auch eine Eintrittskarte fürs Theater gewonnen habe.

 Aber mal Hand aufs Herz, bei der ganzen Aktion stößt mir vor allem unangenehm auf, dass mit der Stilllegung der Arbeitsgruppen eine Menge Engagement und Potenzial an Unterstützung für eine bürgernahe und effektive Lenkung und Leitung unserer Stadt verloren geht. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns das in der gegenwärtigen Situation mit den drängenden Herausforderungen der Gegenwart, eigentlich nicht leisten können.

Ich war erfreut, dass die Grünen in ihrem Flyer an alle Haushalte, explizit dafür eintreten, die Finanzen der Stadt konsolidieren zu wollen. Da haben sie nicht nur meine Zustimmung, sondern auch Unterstützung. Aber dann verstehe ich nicht, dass die Arbeitsgruppe „Haushalt und Controlling“ , die genau dieses Ziel auf der Agenda hatte, mit Unterstützung der Grünen in den „Ruhestand“geschickt wurde.

Liebe Grüne – was denn nun? Konsolidieren oder doch nicht konsolidieren? Gemeinsam anpacken oder nicht? Worte müssen sich an Taten messen lassen und als jetzt „ruhendes Mitglied“ dieser Arbeitsgruppe muss ich sagen : Vertrauenswürdigkeit sieht für mich anders aus! Und zu guter Letzt die wichtige Frage: „Und, wem nutzt das alles?“ Ja, mal nachdenken, wer könnte das sein? Die Bürger*Innen sind es nicht. Unsere Stadt ist es auch nicht. Ich komme einfach nicht darauf. Schade. Vielleicht frag ich mal einen Elch.

Sigurd Colbatz

Etwas ist faul im Staate Dänemark

Der alte Shakespeare scheint geahnt zu haben, dass menschliche Tollheit auch in niederrheinischen Lokalparlamenten zur Methode werden könnte, als er seinen Hamlet schrieb. Anders kann ich den Kleinkrieg unserer alteingesessenen Parteien, der in allen Medienkanälen geführt wird, zum Auszug der CDU-Fraktion aus der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag nicht empfinden. 

Gut, es ist Bundeswahlkampf und jede, um Stimmen kämpfende Partei möchte sich von den anderen abheben. Auch die deutschen Volksparteien haben scheinbar aus den erfolgreichen Wahlkämpfen von Politikern wie Trump, Netanjahu, Orban und Erdogan ihre Lehren gezogen. Nicht eigener politischer Gedankenreichtum führt zum Erfolg, denn der setzt kluge Programme und Ziele voraus. Einfacher und erfolgreicher ist es, den „Konkurrenten im Stimmenfang“ herabzusetzen, zu diskreditieren, schlecht zu machen. Das konnten wir in der letzten Ratssitzung und in der darauf folgenden Presseberichterstattung leider auch beobachten. Insbesondere die FDP hat sich im Ton vollständig vergriffen und sich mit ihren hysterischen Hetzparolen endgültig als ernstzunehmende politische Kraft aus der Lokalpolitik Hamminkelns verabschiedet.

Aber was war eigentlich die Vorgeschichte? Die Fraktion der FWI hatte im November vergangenen Jahres im Rat den Antrag gestellt das gegenwärtige Müllwiegesystem einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Hintergrund war dabei nicht die Kritik um der Kritik Willen, sondern die Beobachtung, dass dieses System zu einem „Mülltourismus“ führt. Die Entsorgung des Mülls in den öffentlichen Mülltonnen oder am Straßenrand war nur einer von vielen negativen Effekten, die bei genauerer Analyse zu Tage traten. Der Zeitpunkt war genau richtig gewählt, da der Dienstleistungsvertrag mit dem jetzigen Entsorgungsunternehmen 2022 ausläuft und dessen Neuabschluss nach geltendem Recht europaweit ausgeschrieben werden muss. Deshalb sollte die Prüfung des Systems rechtzeitig erfolgen, um bei einem Systemwechsel Änderungen in der Ausschreibung einarbeiten zu können. Vorher allerdings musste die Diskussion zum Thema Wiegesystem zum Abschluss gebracht werden.

Und genau diese Möglichkeit ergab sich hier. Der vorausgehende Bauausschuss der Stadt Hamminkeln hatte daher vernünftigerweise einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, das Thema prüfen zu lassen und nach der Sommerpause im Rat abschliessend zu diskutieren. In der Ratssitzung am Donnerstag wurde plötzlich von den Fraktionen der SPD, Grünen, FDP und USD ohne vernünftigen Grund darauf gedrängt sofort und ohne Diskussion über das Thema abstimmen zu müssen und den Prüfauftrag fallen zu lassen. Die CDU-Fraktion wollte hingegen weiterhin dem Vorschlag der FWI folgen und eine fundierte Prüfung in Auftrag geben und machte aus Protest mit ihrem Auszug den Rat beschlussunfähig. 

Politische Entscheidungen müssen nun einmal in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um zu gewährleisten, dass sie dem Gemeinwesen noch von Nutzen sind. Das ist der demokratische Geist, der Wettbewerb der Ideen, der die PolitikerInnen in einer Demokratie im besten Fall zu leiten hat. Aber die SPD, Grünen, FDP und USD haben in diesem Fall ihre Verantwortung dem Gemeinwesen gegenüber mit Füßen getreten, aus billigem politischen Kalkül.

Dass die CDU mittlerweile den Ideen der FWI Beachtung schenkt, die aus der Mitte der Bürgerschaft kommen, oder sie zumindest einer Prüfung unterzieht, hat mir Respekt und Symphatie abgefordert. Es sollte immer um die beste Lösung gehen und nicht um die bequemste. Wer das Ehrenamt im Rat ausübt und gleichzeitig zu bequem ist, um sich im Sinne der BürgerInnen mit Themen auseinanderzusetzen, sollte sich lieber verabschieden und sich um das Amt eines Ehrenvorsitzenden irgendwo anders bewerben. Das Mittel, das die CDU zum Protest gewählt hat, ist allerdings genauso fraglich und diskussionswürdig wie das billige politische Kalkül der anderen Parteien. Demokratische Prozesse auf diese Art und Weise zum Stillstand zu bringen, darf immer nur Ultima Ratio sein. Es wäre schön gewesen, hätte sich die CDU mit demselben Elan für die grundlegenden Themen wie Haushaltskonsolidierung, vergünstigtes Bauland für junge Familien oder Senkung der Straßenbaubeiträge engagiert. So bleibt der bittere Nachgeschmack, daß nur eine populistische Nebelkerze geworfen wurde. Was sagt eigentlich der Parteivorsitzende der CDU in Hamminkeln dazu, der letztendlich die politische Verantwortung dafür trägt?

Doch ein Gutes hat das alles: der Auftritt der CDU hat die BürgerInnen aufmerksam gemacht auf den desolaten Zustand der Politik und die daraus erwachsene Machtfülle der Verwaltung. Wo wir Regeln und Beschlüsse nicht mehr hinterfragen oder politische Spiele zum Selbstzweck spielen, erzeugen wir nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern auch im lokalen Politikbetrieb Stagnation und Stagnation ist letztlich Rückschritt. Noch einen Schritt weiter zurück und wir fallen in den Abgrund.

von Sigurd Colbatz