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Schlagwort: Rat

Logistikzentrum – Ja oder Nein ?

Im Hamminkelner Rat steht die Entscheidung an, nördlich der Autobahn einem schwedischen Modelabel den Betrieb eines Logistigzentrums, zur Lagerung und Verteilung seiner Produkte an den Endkunden, zu ermöglichen. In allen Fraktionen, der im Rat vertretenen Parteien, so auch bei den Freien Wählern der Isselgemeinden, ist also die Frage zu klären: Ist das zum Vorteil der Kommune und Ihrer BürgerInnen?

So einfach die Frage klingt, es verbirgt sich dahinter ein recht komplexes, politisches Problem und die Einflussmöglichkeiten der Politik sind in solchen Fragen eingeschränkt. Die Nutzung eines Grundstücks ist dem Eigentümer zunächst einmal freigestellt. Er kann einen Bauantrag stellen, der vom Bauamt in der Hamminkelner Verwaltung mit bestimmten Fristen zu bearbeiten ist, ansonsten drohen Gerichtsentscheide, die die Gültigkeit des Antrages festlegen. Das Bauamt in Hamminkeln ist eine sogenannte „untere Baubehörde“, die nicht dem Bürgermeister oder dem Rat untersteht, sondern die „obere Baubehörde“ ist der Vorgesetzte und die sitzt im Kreis Wesel.

Im Ausschuss und Rat wird auch über die Änderung des Flächennutzungsplanes abgestimmt – sie ist die Voraussetzung für die gewerbliche Nutzung einer Grundstücksfläche.

Daneben haben die Instanzen in Hamminkeln eigentlich nur die Möglichkeit  den Verkauf des Grundstücks zu beschließen oder abzulehnen, um das Logistikvorhaben zu fördern oder zu stoppen.

Logistikzentren werden gebraucht. Jedenfalls solange wir Konsumenten ungebremst das Internet zum Shoppen nutzen und die Lieferung der Waren innerhalb von Stunden erwarten. Der schwedische Interessent NA-KD zielt mit seinem Konzept darauf ab, Waren noch am gleichen Tag an den Kunden auszuliefern. 

Bei den Modelabels ist es ja üblich geworden, fast monatlich eine neue Kollektion auf den Markt zu bringen. Mit der angestrebten Größe des Zentrums von 100.000 qm, kann man sich vorstellen, welcher Anlieferverkehr in Hamminkeln herrschen wird und wie die Verkehrsinfrastruktur belastet und verschlissen wird. Wem nutzt dieses Zentrum eigentlich ?

Abgesehen von den Kunden, die sehr schnell beliefert werden, so denn die HamminkelnerInnen Fans von NA-KD werden, keinem so wirklich. 

Die Stadt Hamminkeln hat den Verkaufserlös für das Grundstück und erhält Teile der Grunderwerbsteuer. Sie ist eine Steuer, die das Land NRW erhebt und teilweise an die Kommunen weitergibt.

Das geht genau einmal – und die Frage ist, wie oft können wir solche Geschäfte noch tätigen ? Die Ressource Grund und Boden wird immer kleiner und mit der Größe der Flächenversiegelung – Nachhaltigkeit geht anders ! Investoren, die solche Projekte entwickeln, nutzen sie heute nicht mehr zum Zweck des Weiterverkaufs, sondern vermieten diese Objekte langfristig. Es bestätigt sich einfach immer wieder, dass Grund und Boden  wertbeständig ist, ja, mit Verknappung desselben, an Wert gewinnt.  Der Verkauf von Grundstücken auch durch die Stadt Hamminkeln ist damit zumindest zweifelhaft und kommt dem „Verscherbeln des Tafelsilbers“ gleich – langfristig ist das ökonomischer Nonsens.

In der Presse wurde auf die Gewerbesteuer angespielt, die die Stadt mit dem Logistikzentrum erheben müsste. Rechtlich gesehen ist das ein Irrglaube. Nach unserem Recht, wird die Gewerbesteuer auf Basis des Umsatzes berechnet, der am Standort entsteht. In Logistikzentren wird nur ein minimaler Umsatz generiert, da hier nur Waren gelagert und umgeschlagen werden – aber nicht verkauft. Der Verkauf findet gerade in Zeiten des Internethandels am Standort des Unternehmens statt und der ist nun mal Schweden.  Steuer- oder handelsrechtlich ist auch kein Grund zu sehen, warum das NA-KD anders gestalten sollte. Es gibt Beispiele dafür, dass sich Kommunen die Gewerbesteuer solcher Warenlager auf ihrem Territorium gesichert haben. Das erfolgt aber über Sondervereinbarungen zwischen dem Unternehmen und der Kommune. Die setzen dann aber voraus, dass das Unternehmen seine Geschäftsergebnisse offen legt und einen Berechnungsmodus erarbeiten kann, der die mit oder durch die Logistikstandorte erzielten Umsätze ausweist. Und die Finanzbehörde am Sitz des Unternehmens muss damit auch einverstanden sein.

Ohne die rechtlichen Verhältnisse und Konstrukte von NA-KD momentan zu kennen – die Gewerbesteuer als laufende Einnahme der Stadt Hamminkeln können wir vergessen.

Ein weiteres Interesse von Hamminkeln könnte die Schaffung von Arbeitsplätzen mit dem Zentrum sein. Noch vor 15  – 20 Jahren war es das Hauptargument für solche Logistikstandorte. Sie werden heute flächendeckend aber nicht mehr mit vielen Vollzeitkräften betrieben, Vorreiter war hier „Amazon“, das an seinen diversen Standorten  verstärkt auf Teilzeitarbeit, Aushilfskräfte und Minijobs gesetzt hat, die sich  entgeltlich am Mindestlohn orientieren. Hinzu kommt, dass  wir in Hamminkeln, wie in vielen Regionen kein großes Arbeitslosenproblem haben – Ökonomen sprechen in der gegenwärtigen Situation, in der selbst coronabedingt Entlassene andere Arbeit gefunden haben und in ihren ursprünglichen Branchen nicht mehr zur Verfügung stehen, von Vollbeschäftigung, ja Arbeitskräftemangel.

Wenn ich diese Argumente alle für mich bewerte, komme ich zu dem Schluss, das mit dem Logistikzentrum kein wirklicher Mehrwert für die Stadt Hamminkeln entsteht und würde, wenn ich darüber mit zu entscheiden hätte, gegen den Verkauf der Grundstücksfläche stimmen.

Siggi Colbatz

Der link geht zum Ratsinformationssystem der Stadt Hamminkeln: https://hamminkeln.more-rubin1.de/vorlagen_details.php?vid=20210411100192

Etwas ist faul im Staate Dänemark

Der alte Shakespeare scheint geahnt zu haben, dass menschliche Tollheit auch in niederrheinischen Lokalparlamenten zur Methode werden könnte, als er seinen Hamlet schrieb. Anders kann ich den Kleinkrieg unserer alteingesessenen Parteien, der in allen Medienkanälen geführt wird, zum Auszug der CDU-Fraktion aus der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag nicht empfinden. 

Gut, es ist Bundeswahlkampf und jede, um Stimmen kämpfende Partei möchte sich von den anderen abheben. Auch die deutschen Volksparteien haben scheinbar aus den erfolgreichen Wahlkämpfen von Politikern wie Trump, Netanjahu, Orban und Erdogan ihre Lehren gezogen. Nicht eigener politischer Gedankenreichtum führt zum Erfolg, denn der setzt kluge Programme und Ziele voraus. Einfacher und erfolgreicher ist es, den „Konkurrenten im Stimmenfang“ herabzusetzen, zu diskreditieren, schlecht zu machen. Das konnten wir in der letzten Ratssitzung und in der darauf folgenden Presseberichterstattung leider auch beobachten. Insbesondere die FDP hat sich im Ton vollständig vergriffen und sich mit ihren hysterischen Hetzparolen endgültig als ernstzunehmende politische Kraft aus der Lokalpolitik Hamminkelns verabschiedet.

Aber was war eigentlich die Vorgeschichte? Die Fraktion der FWI hatte im November vergangenen Jahres im Rat den Antrag gestellt das gegenwärtige Müllwiegesystem einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Hintergrund war dabei nicht die Kritik um der Kritik Willen, sondern die Beobachtung, dass dieses System zu einem „Mülltourismus“ führt. Die Entsorgung des Mülls in den öffentlichen Mülltonnen oder am Straßenrand war nur einer von vielen negativen Effekten, die bei genauerer Analyse zu Tage traten. Der Zeitpunkt war genau richtig gewählt, da der Dienstleistungsvertrag mit dem jetzigen Entsorgungsunternehmen 2022 ausläuft und dessen Neuabschluss nach geltendem Recht europaweit ausgeschrieben werden muss. Deshalb sollte die Prüfung des Systems rechtzeitig erfolgen, um bei einem Systemwechsel Änderungen in der Ausschreibung einarbeiten zu können. Vorher allerdings musste die Diskussion zum Thema Wiegesystem zum Abschluss gebracht werden.

Und genau diese Möglichkeit ergab sich hier. Der vorausgehende Bauausschuss der Stadt Hamminkeln hatte daher vernünftigerweise einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, das Thema prüfen zu lassen und nach der Sommerpause im Rat abschliessend zu diskutieren. In der Ratssitzung am Donnerstag wurde plötzlich von den Fraktionen der SPD, Grünen, FDP und USD ohne vernünftigen Grund darauf gedrängt sofort und ohne Diskussion über das Thema abstimmen zu müssen und den Prüfauftrag fallen zu lassen. Die CDU-Fraktion wollte hingegen weiterhin dem Vorschlag der FWI folgen und eine fundierte Prüfung in Auftrag geben und machte aus Protest mit ihrem Auszug den Rat beschlussunfähig. 

Politische Entscheidungen müssen nun einmal in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um zu gewährleisten, dass sie dem Gemeinwesen noch von Nutzen sind. Das ist der demokratische Geist, der Wettbewerb der Ideen, der die PolitikerInnen in einer Demokratie im besten Fall zu leiten hat. Aber die SPD, Grünen, FDP und USD haben in diesem Fall ihre Verantwortung dem Gemeinwesen gegenüber mit Füßen getreten, aus billigem politischen Kalkül.

Dass die CDU mittlerweile den Ideen der FWI Beachtung schenkt, die aus der Mitte der Bürgerschaft kommen, oder sie zumindest einer Prüfung unterzieht, hat mir Respekt und Symphatie abgefordert. Es sollte immer um die beste Lösung gehen und nicht um die bequemste. Wer das Ehrenamt im Rat ausübt und gleichzeitig zu bequem ist, um sich im Sinne der BürgerInnen mit Themen auseinanderzusetzen, sollte sich lieber verabschieden und sich um das Amt eines Ehrenvorsitzenden irgendwo anders bewerben. Das Mittel, das die CDU zum Protest gewählt hat, ist allerdings genauso fraglich und diskussionswürdig wie das billige politische Kalkül der anderen Parteien. Demokratische Prozesse auf diese Art und Weise zum Stillstand zu bringen, darf immer nur Ultima Ratio sein. Es wäre schön gewesen, hätte sich die CDU mit demselben Elan für die grundlegenden Themen wie Haushaltskonsolidierung, vergünstigtes Bauland für junge Familien oder Senkung der Straßenbaubeiträge engagiert. So bleibt der bittere Nachgeschmack, daß nur eine populistische Nebelkerze geworfen wurde. Was sagt eigentlich der Parteivorsitzende der CDU in Hamminkeln dazu, der letztendlich die politische Verantwortung dafür trägt?

Doch ein Gutes hat das alles: der Auftritt der CDU hat die BürgerInnen aufmerksam gemacht auf den desolaten Zustand der Politik und die daraus erwachsene Machtfülle der Verwaltung. Wo wir Regeln und Beschlüsse nicht mehr hinterfragen oder politische Spiele zum Selbstzweck spielen, erzeugen wir nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern auch im lokalen Politikbetrieb Stagnation und Stagnation ist letztlich Rückschritt. Noch einen Schritt weiter zurück und wir fallen in den Abgrund.

von Sigurd Colbatz